Ein Russe, der den US-Amerikanern Wodka verkauft – keine ganz ungewöhnliche Sache, wenn es nicht nur das pure Hochprozentige wäre, das der junge russische Unternehmer Maxim Razmakhin da verkaufen möchte. Aber er verkauft nicht nur Alkohol, sondern ein System, was stark am Content-Marketing orientiert ist – gewissermaßen auch ein „Drumherum“ um den Alkohol, der aus Rezepten und Wissen um den Alkohol besteht.
Dabei ist die USA keineswegs ein dem Alkohol offenes Land, sondern eher eines, wo die Menschen immer noch die Zeiten der Prohibition und des Alkoholschmuggels in den Köpfen haben. Getrunken wird der Alkohol in der Öffentlichkeit nur in braunen Papiertaschen verpackt. Die ehemalige Tennishoffnung Razmakhin, hat seinen Tennisschläger hingelegt, um den Amerikanern den Alkohol zu bringen.
Der 28-jährige Razmakhin ist Mitbegründer und Produktmanager bei Thirstie, einem Lieferservice für alkoholische Getränke, dem man jetzt schon nachsagt, dass er den US-Alkoholmarkt „uberisieren“, aufmischen würde. Hier ist die Story eines Mannes, der ein Unternehmen in einem Bereich gegründet hat, der in den USA am stärksten reglementiert wird – vielleicht ist das ja auch das Geheimnis seines jetzt schon sehr augenscheinlichen Erfolgs.
Aufbruch & Unternehmergeist
Bereits im Alter von sieben Jahren sammelte der Schüler Maxim Razmakhin mit seinen Freunden zusammen Pfandflaschen, um sich so sein erstes Startkapital zu verdienen. Er begann von den USA zu träumen und war von dem von dort ausgehenden Unternehmergeist und der Qualität der Ausbildung angetan. Er ging fortan sehr zielstrebig an die Planung seiner Auswanderung heran. Er begann intensiv Englisch zu lernen und widmete mehr Zeit dem Tennissport, dem er sich verschrieben hatte, auch, um ein Sportstipendium zu erhalten und kostenlos studieren zu können.
In den Jahren 2003 und 2004 war Razmakhin der beste Spieler seiner Altersklasse in seiner Heimat und sein Trainer nahm Kontakt mit amerikanischen Sportlerkollegen auf, um für das junge Talent zu werben. Der Trainer der Universität von Mississippi interessierte sich und begann ihn zu fördern und in ein Sportförderprogramm einzutreten. Drei Jahre verbrachte Razmakhin an der University of Mississippi und wechselte später dann an die Wesleyan University of Ohio. Er studierte dort Wirtschaft und Finanzen.
Der Campus braucht Milchshakes
Auf einem neuen Campus in Ohio begann Razmakhin, Brainshake-Milchshakes nach seinen eigenen Rezepten zu verkaufen. Trinken, sagte er, lösche nicht nur Durst, sondern stimulierte das Gehirn, verbessere Gedächtnis und Konzentration. Der Verkauf des Getränks brachte ein ordentliches Studentengeld (ungefähr 2.000 US-Dollar pro Semester).
Das Geschäft war einträglich, aber schon bald wurde es Zeit, eine solide Einnahmequelle zu finden, denn Razmakhin wollte nach dem Studienabschluss nach New York ziehen.
Keine Greencard, keine Staatsbürgerschaft, aber Ideen
Razmakhin sagte, dass er nie Probleme gehabt habe, Geschäftsideen zu entwickeln, aber direkt nach der Uni wollte er kein Geschäft starten, denn er verfügte über keinen Aufenthaltsstatus oder eine Green Card, um im Land arbeiten zu können. Zuerst arbeitete Razmakhin mehrere Monate lang als Analyst bei der Finanzfirma Scholz and Company und wechselte dann als Wirtschaftsdatenmanager zu Haver Analytics, wo er mehr als drei Jahre arbeitete.
„Die größte Schwierigkeit in New York ist, dass dort die Arbeitstage bis weit in den Abend reichen. Ich fand einen Job, den ich nur bis 17 Uhr machen musste und dann Zeit für eigene Projekte hatte“, so Razmakhin.
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Technologieversessen
Technologie war immer schon das, was Razmakhin interessiert hat. Er studierte den Markt und lernte Programmierer, Designer und Unternehmer kennen, erarbeitete Geschäftsideen. Eine dieser Ideen war das Projekt Mixely, einer Plattform für die Kommunikation zwischen Startups. Diesem kam aber nur eine Lebensdauer von zwei Jahren zu und wurde wieder eingestampft.
Zu dieser Zeit war Razmakhin mit seinem zukünftigen Partner Devaraj Southworth befreundet. Das war kein indischer Student, der sich in New York niederließ, sondern ein erfolgreicher Unternehmer und Investor, der zu der Zeit bei American Express arbeitete. Razmakhin kannte ihn, weil Southworth auch ein Absolvent der Ohio Universität war. Ende 2013 beschlossen beide ein gemeinsames Projekt zu starten:
„Wir waren in unseren Arbeitsweisen sehr gut aufeinander abgestimmt. Devaraj unterhielt gute Beziehungen zu anderen Investoren und zeichnete sich durch eine sehr strategische Denkweise ab, ich bin gut darin Produkte zu entwickeln. Manchmal hatten wir 20 Ansätze und Ideen auf dem Tisch, die jeder einbrachte.“
Eine Idee, die beide hatten, war es etwas in der Alkoholindustrie zu machen, der Branche in den USA, in der es eine Besonderheit des Marktes gibt.
Alkoholindustrie
„Alkoholbranche ist eine Branche, vielleicht die einzige, in der es keine technologischen Großunternehmen gibt. Seit dem Start von Amazon sind 20 Jahre vergangen, aber nichts dergleichen ist im Bereich Alkohol ins Leben gerufen worden“, so Razmakhin.
The Russian Standard. (c) Bildquelle: flickr / CEBImagery / CC BY 2.0Kampf gegen Konkurrenten
Die Gründer von Thirstie wurden nicht zu Pionieren, schon im Jahr 2013 begannen einige Unternehmen an ähnlichen Diensten zu arbeiten, und einige von ihnen begannen sogar in New York, der Stadt, von der aus Thirstie starten wollte. Dennoch schien es einen Platz für einen neuen Spieler auf dem Markt durchaus noch zu geben.
Die Entwicklung auf drei Plattformen (Web, iOS, Android) kostete rund 100.000 US-Dollar, die zunächst aus eigenen Mitteln finanziert wurden. Es dauerte zwei Monate, um die Besonderheiten der Alkoholpolitik in den USA zu verstehen.
USA – ein besonderer Markt für Alkohol
Alkoholherstellern in den Vereinigten Staaten ist es nicht erlaubt ihre Produkte direkt an den Endverbraucher zu verkaufen. Sie müssen an Großhändler verkaufen, welche dann ein Netz von zugelassenen Geschäften damit beliefern, die dann wiederum vom Gesetz her an den Endverbraucher verkaufen dürfen. Daher lag der einzig gangbare Weg, um Alkohol an den Mann zu bringen, in der Zusammenarbeit mit diesen Läden.
Jeder Bundesstaat hat seinen eigenen Weg, wie man mit Alkohol umgeht. Und hat auch jeder Bundesstaat seine eigene Gesetzgebung, die dann auch nur in diesem Staat gilt. Beispielsweise darf in New York starker Alkohol nur in Fachgeschäften verkauft werden und jeder einzelne von diesen Läden muss von einem Inhaber geführt sein, der auch nur dieses eine Geschäft für Alkohol betreiben darf. Ein Inhaber, eine Lizenz für einen Laden. Das ist die Situation New York. In Kalifornien und Texas hingegen ist es erlaubt, große Einzelhandelsketten von Supermärkten zu gründen, die mit Alkohol handeln.
Man entschloss sich bei Thirstie dazu, Geschäfte zu Verkaufspunkten auszubauen und mit diesen Geschäften zusammenzuarbeiten. Die Ladenbesitzer waren nicht sofort bereit für eine Zusammenarbeit und mussten erst von den Vorteilen der Zusammenarbeit mit einem Drittanbieter überzeugt werden. Razmakhin musste immer wieder erklären, wo die Vorteile für Ladenbesitzer liegen würden.
Eine Win-Win-Situation
„Das größte Problem bei den Alkoholgeschäften ist der stetige Verkauf über das Jahr betrachtet. Wir haben uns für diese Läden zum Umsatzträger entwickelt und sie profitieren von unseren Marketingkanälen. Sie bezahlen erst dann, wenn Sie an den Endkunden verkauft haben“
, so hat Razmakhin 2014 gegenüber den Ladenbesitzern argumentiert.
Thirstie erhält bei Verkauf eine Provision in Höhe von durchschnittlich 6 – 10 Prozent vom generierten Umsatz.
Nach dem Start von Thirstie stellte sich heraus, dass man über die Distribution von nur einem Dutzend Verkaufsstellen alleine schon Manhattan und ein Teil Brooklyns hätten versorgt werden können. Im Gegensatz zu den Essenslieferdiensten, die mit einer großen Anzahl von Restaurants Verträge abschließen müssen, macht das bei der Alkoholdistribution keinen Sinn.
Es bestehen nur wenige Unterschiede beim Alkohol in den ohnehin schon bekannten Marken. Für das Projekt waren keine Lagerhäuser und auch keine Alkohollizenzen nötig, da man auf das bereits lizensierte Ladengeschäft gewissermaßen andockte. Thirstie agierte als Aggregator. Er bot den Käufern einen Überblick über die nächstgelegenen Geschäfte, die eine Lieferung innerhalb einer Stunde garantieren würden.
Geschäftsmodell Thirstie
Thirstie agierte als Aggregator. Er bot den Käufern einen Überblick über die nächstgelegenen Geschäfte, die eine Lieferung innerhalb einer Stunde garantieren würden.
In den ersten zwei Monaten nutzten etwa tausend Menschen den Service. Die Läden mit alkoholischen Getränken stellten bald fest, dass es für Thirstie ausreichen würde, in jedem Gebiet Verträge mit nur zwei-drei Läden abzuschließen, um die Nachfrage in diesem Bereich zu decken. Es entstand eine Situation, in der die Alkoholgeschäfte die Zusammenarbeit mit Thirstie anstrebten und versucht haben, vor den anderen 20-30 Läden sich den Platz bei Thirstie zu sichern.
Das System findet seine Nachahmer
Der Erfolg blieb auch bei der Konkurrenz nicht unbemerkt, sodass innerhalb der ersten neun Monate nach dem Start von Thirstie, bereits weitere 30 bis 40 neue Spieler am Markt waren, die mit vergleichbaren Angeboten aufwarteten. Die meisten dieser Unternehmen gaben bereits nach kurzer Zeit auf. Dennoch begann Razmakhin diese neue Konkurrenz als Bedrohung zu empfinden.
Expansionskurs
Als Gegenmaßnahme beschloss Razmakhin für sich ganz USA zu erschließen und sich als nationale Marke zu positionieren und nicht nur in New York tätig zu sein.
Man expandierte nach Chicago, Miami und Los Angeles und ein Jahr später hatte das Unternehmen bereits 200 Partner in 12 Städten. Das Projektteam für die Expansion in diesen Städten war klein, gibt Razmakhin zu:
„Aufgrund der rasanten Wachstumsraten war es nicht möglich, jeder neuen Stadt genügend Aufmerksamkeit zu schenken. Dennoch konnten wir die Erfahrungen aus New York, wo die Alkoholregulierung am strengsten in den USA ist, auch auf andere Städte übertragen.“
Das Risiko erwies sich als berechtigt – nach der fünften angeschlossenen Stadt haben sich bekannte Alkoholmarken für die Zusammenarbeit mit Thirstie interessiert und der Service hat damit begonnen ihnen die im System aggregierten Käuferdaten zu verkaufen.
Content
Darüber hinaus hat Thirstie Content Marketing für sich entdeckt und die ersten Versuche unternommen, diverse Content Arten und Strategien auszutesten.
Thirstie begann mit Inhalten zu experimentieren und konnte dadurch unter anderem ziemlich ungewöhnliche Werbung anbieten. Diese Experimente wurden jedoch nicht nur um des Geldes Willen durchgeführt – tatsächlich verwandelten sie Thirstie vom üblichen Lieferdienst in ein Projekt mit einer bestimmten Ausrichtung, die sich auch im Marketing widerspiegelte.
Markt und Perspektiven
„In der Lebensmittelindustrie gibt es populäre TV-Shows, berühmte Köche, Bücher, Anwendungen und in der Alkoholindustrie gibt es nichts davon. Die Leute kennen keine Marken, Cocktailrezepte, wissen nicht, wie man Weinarten vergleicht und sie mit Essen kombiniert. Wir haben uns entschieden, keine Person mit Flaschen allein zu lassen. Wir begannen mit Cocktailrezepten – sie wurden sechs Monate nach dem Start in die Thirstie-App hinzugefügt und die Benutzerbeteiligung stieg im ersten Monat um 20%.“
Evergreen: Content ohne Verfallsdatum
Cleveres Content-Marketing
Noch sechs Monate später hatte Thirstie einen Blog eröffnet mit Rezepten, Geschichten über die Branche, Anleitungen zum passenden Wein und Tipps, wie man sich auf die Party vorbereitet.
Es war eine Lösung für das Problem, mit dem das Projekt fast ein Jahr lang gekämpft hatte – wie man wiederkehrende Nutzer anzieht und keine Millionen dafür ausgibt.
Ganz am Anfang nach seinem Launch veranstaltete Thirstie Events, die gesponsert wurden. Die Kosten für die Anwerbung eines Neukunden (CAC) beliefen sich auf etwa 100 US-Dollar. Dabei wäre der „normale“ CAC ist in der Regel nur 10-20 US-Dollar. Die so teuer gewonnenen Kunden haben sich außerdem keinesfalls beeilt, das Geld in die Unternehmenskassen zu spülen.
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Rezepte in den Apps und im Blog begannen allmählich, die Kosten für die Gewinnung von Kunden zu reduzieren – die Menschen begannen außerdem, für interessante Geschichten auf die Website zurückzukehren.
Eine der Maßnahmen, die Razmakhin als eine der effektivsten bezeichnete, war die des eigenen Magazins, in dem von Nutzwertartikeln ausgehend Konversionen erfolgten, sprich Waren im Warenkorb landeten. Das kam dadurch, dass das Magazin so umprogrammiert wurde, dass alle in Artikeln erwähnte alkoholische Getränke dem Warenkorb hinzugefügt werden konnten.
Diese Funktion schaffte man nach eineinhalb Jahren bei Thirstie. Das trug maßgeblich dazu bei, dass die Kosten für die Anwerbung eines neuen Kunden sich auf ein Zehntel, also $10 US-Dollar reduzierten, im Gegensatz dazu, was herkömmliche Marketingmaßnahmen pro Neukunden durchschnittlich kosten würden.
Im Herbst 2015 ging das Unternehmen aus den Vereinigten Staaten auch auf den kanadischen Markt, um zunächst in die kanadische Provinz Ontario zu liefern.
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Investitionen von 2,2 Millionen US-Dollar
Die neuen Funktionen der Website und die Erweiterungen wurden durch Investitionen in Höhe von 2,2 Millionen US-Dollar erst möglich, die im März 2015 ins Unternehmen flossen. Das Unternehmen baute seine Struktur aus, schluckte aber auch ein ähnliches Unternehmen – „DrinkFly“. So konnte man zum einen Konkurrenz ausschalten, aber auch auf neue Strukturen zurückgreifen. Insgesamt konnte Thirstie 2,5 Millionen US-Dollar anlocken.
Konkurrenzgefüge
Bei Thirstie steht man keineswegs allein im Raum. Allerlei große und kleine Mitbewerber tummeln sich am Markt, die alle ihren Anteil an dem beträchtlichen Volumen von 220 Milliarden US-Dollar für sich beanspruchen möchten.
Eins der aussichtsreichsten Unternehmen ist sicherlich „Drizly“, welches ein vergleichbares Angebot aufweist, jedoch im Laufe der Zeit zu einem Marketplace mutierte, wo sich jeder Alkoholhändler anmelden kann. In den letzten drei Jahren konnte das Unternehmen 33 Millionen US-Dollar an Investitionen erzielen.
Andere sind „Minibar“, „Saucey“, „Ultra“ und beispielsweise „Klink“. Razmakhin gibt sich jedoch optimistisch und glaubt, dass einer der maßgeblichen Vorteile von Thirstie im eigenen gut laufenden Magazin liegt wodurch eine starke Kundenbindung erzeugt wird, aber auch so sehr merklich die Marketingkosten über gezieltes Content-Marketing reduziert werden. Weiterhin sehe er einen Vorteil darin, dass man in 33 Staaten präsent sei und schnell liefern könne.
Zukunftspläne
Thirstie plant ein neues B2B-Konzept und Expansion in ändere Länder
Alkohol LieferdienstZukunftspläne
Im Jahr 2018 plant das Unternehmen weiter zu expandieren. Bis jetzt erreichen Thirstie monatlich mehrere zehntausende Bestellungen, deren durchschnittlicher Warenkorb bei 75 US-Dollar liegt. Langfristig strebe man an, hier einen durchschnittlich Betrag von 175 US-Dollar pro Bestellung zu erreichen.
Man sondiere immer noch Wege, wie man innerhalb der Gesetzgebung und auf legalem Wege Möglichkeiten finden könnte, um an Kunden direkt zu liefern. Eine eigene Lizenz für den Verkauf von Alkohol zu erwerben, strebe man im Unternehmen nicht an, denn das System wie es ist, biete dem Unternehmen mehr Freiheiten auf die man durch den Erwerb einer Alkohollizenz verzichten müsste.
Eine Chronologie im E-Commerce
Amazon & Alkohol?
Auch der weltweite Online-Platzhirsch Amazon scheint in Sachen Alkohol nicht zu schlafen. Im vergangenen Jahr startete er mit Prime Now einen Schnelllieferservice für Alkohol in sechs Städten. Wie aus Amazonkreisen bekannt wurde, plant man bei Amazon diesen Lieferservice auf weitere 20 Städte auszuweiten. Thirstie hegt dagegen Expansionspläne in anderen Ländern.
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