Schwarze PR – Kampf mit harten Bandagen – Gastreferent Vitaliy Malykin, Inhaber und Geschäftsführer von Design4u Köln vor der Industrie- und Handelskammer Mannheim am 23.10.2019
Einleitung und Vorstellung
Sehr verehrte Damen und Herren, ich möchte mich ganz kurz vorstellen, so viel Zeit haben wir noch. Man hat mir Fragen gestellt, wer ich bin und was unser Geschäftsmodell ist – der Kollege von der IHK hat mich versucht die ganze Zeit als bösen Buben zu verkaufen und darzustellen, der ich aber nun wirklich nicht bin.
Ich möchte hier in diesem Vortrag eigentlich darauf eingehen, wie man vorbeugt, was man macht, falls jemand von schwarzer PR betroffen ist. Im Einzelnen wird das so sein, dass ich dieses Thema anhand einiger doch sehr prägender Geschichten aus der Vergangenheit verdeutlichen werde, die so mal mehr oder weniger bekannt sind und mit dem Thema zu tun haben.
Zu meiner Person: Ich bin Geschäftsführer der Kölner Internet-Agentur Design4u. Wir machen Webentwicklung, wir machen Komplexes Online Marketing, wir machen SEO und beraten Unternehmen, die auf dem deutschen aber auch auf dem russischen Markt aktiv sind.
Das Thema Schwarze PR gehört nicht zu unseren Schwerpunkten. Dennoch hat dieser Bereich naturgemäß auch Überschneidungen mit dem, was wir machen, weshalb ich darüber auch viel weiß und erzählen kann.
Inhaltsverzeichnis:
1. Schwarze PR – Negative Campaigning. Russische Herkunft dieses Begriffs. Die Entstehung (vor dem Internet Zeitalter).
2. Schwarze PR in der Politik, aber auch Wirtschaft
3. Schwarze PR im Internet. Google, Soziale Netzwerke etc.
– Beast Factory Fall
4. Wie kann man schwarzer PR begegnen? (offiziell)
– Rechtliche Handhabe. Löschungsanspruch (In Russland nicht effektiv)
– Recht auf Vergessenwerden (Suchmaschinen)
5. Wie kann man schwarze PR für sich ausnutzen?
– Conor McGregor („normale“ schwarze PR)
– YouTube – Enthüllung / Erwiderung / Enthüllung / Erwiderung Spiel (Views, Steigerung des Bekanntheitsgrades, YouTube-Trends und Empfehlungen wg. Kommentare) – anschauliches Beispiel für „schlechte Presse ist besser als gar keine Presse“.
– Selbst eingeleitete schwarze PR, wie funktioniert das?
– Busenblitzer und Beziehungsprobleme der Stars und Sternchen
– Schwarze PR der Konkurrenz positiv für sich umkehren (durch gezielte Eigen-PR, Pressemitteilungen, Führungen, Content)
6. Wie kann man seine Online Reputation verbessern?
– Online Reputation aufbauen
7. Vorbeugen. Gelungene russische PR-Kampagnen, die Image aufbauen
– Russland / Europa Unterschiede (Schimpfwörter, Mehrdeutigkeiten, kulturelle Eigenheiten)
– Burger King (Fastfood, 24/7 von schwarzer PR umgeben)
– … aber auch „langweilige Branchen“
– „Vetements“ vs. „Ивановский текстиль“
– „Кубаньжелдормаш“ (Kubanzheldormash)
– „Завод имени Ленина“ (Lenin-Werk)
– „Пышечная 1958“ (Kringel-Bäckerei 1958)
Fazit
Vortrag bei der IHK Mannheim
Am 23.09.2019 hielt Vitaliy Malykin von Design4u einen Vortrag zum Thema schwarze PR von mehreren Unternehmern an der IHK Mannheim.
Vitaliy Malykin IHK Mannheim Vortrag 2019-09-23Der Begriff „schwarze PR“
Bei der Vorbereitung meines Vortrages und dem Aufgreifen derzeit aktueller Fälle, musste ich selber mit Erstaunen feststellen, dass der Begriff schwarze PR anscheinend russischer Herkunft ist. In den späten 80ern und den frühen 90er Jahren, also noch vor dem Internetzeitalter – hier wurde der Begriff maßgeblich geprägt.
Ich kann ich mich noch genau erinnern, bin 1982 geboren. Nach dem Zerfall der UdSSR erschienen plötzlich viele neue Zeitungen aus dem Bereich Boulevard und Yellow Press. An jedem Kiosk, an jeder Ecke. Die haben alles Mögliche abgedruckt. Alles Dinge, wofür man sie bezahlt hat. Viele gehen davon aus, dass das der eigentliche Beginn und Startschuss für Schwarze PR gelegt wurde.
Ganz genau zurückführen kann man das natürlich nicht, aber alles spricht derzeit dafür, dass sich schwarze PR in diesem Umfeld bestens entwickeln konnte und diese Form der PR auf äußerst fruchtbaren Nährboden gefallen ist. De facto kann man sagen, dass die Medienpublikation in Russland bezahlt und verbreitet wurden. Das waren belastende Informationen, die sich negativ auf Personen ausgewirkt haben. In Russland ist das immer noch hoch im Kurs.
Ich habe hier einen Screenshot aus der TAZ:
Dort wird behauptet, dass Indizien dafür sprechen, dass Schwarze PR in den Unis als eigene Disziplin gelehrt wird. Genau Belege darüber sind mir derzeit nicht bekannt, aber man muss auch sehen, dass vieles, was wir heute unter Schwarzer PR verstehen, von Russland aus gesteuert wird.
Lesen Sie auch: Trollfabriken – die Macht von schwarzer PR und Fake News
Die Aufgaben der schwarzen PR – Gezielte Verleumdung
Zu den Aufgaben und gewissermaßen zum guten Ton zählt die Königsdisziplin der gezielten Verleumdung. Man versteht, es geht um eine gezielte Verleumdung. Man möchte den Ruf einer Person, eines Unternehmens oder eines Produktes gezielt durch Informationen, die inflationär im Internet verbreitet werden, zerstören. Diese Herangehensweise hat auch vor dem Internetzeitalter relativ gut funktioniert.
Die Hauptwaffe der PR sind Informationen. Entweder sind das tatsächliche oder fiktive Informationen, die werden in sämtlichen offline Medien und dem Internet verbreitet. Die Zielgruppe bekommt das zu Lesen und das Image wird nachfolgend zerstört.
Die Angriffe können dabei aus jeder Richtung kommen. Das ist in erster Linie natürlich Konkurrenz, das können aber auch ehemalige Mitarbeiter, die sich in irgendeiner Weise einbringen möchten, hier die Zielsetzung einem Ex-Arbeitgeber zu schaden. Diese Mitarbeiter verfügen vielfach über bestimmte Informationen, die man hier ausnutzt. Es können aber auch Kunden sein.
„Der Hauptgrund dafür, dass schwarze PR gut ankommt, besteht darin, dass die überwiegende Mehrheit der Internetnutzer bereit ist, verbreitete Informationen ohne Überprüfung zu akzeptieren.“
Was man hier wiederum verstehen muss ist, dass ein Großteil der Internetnutzer diesen Information Glauben schenken ohne sie wiederum überprüft zu haben. Man verfügt nicht über die Medienkompetenz, um beispielsweise ernsthaft von weniger ernsthaften Quellen zu unterscheiden. Es besteht weiterhin die Tendenz eher den falschen als den richtigen Informationen zu glauben, die oft sehr viel publikumswirksamer verpackt werden.
Die Methode des „stinkenden Fisches“
Frei nach dem Motto: „Da wird schon etwas dran sein“, können wir die Methode des stinkenden Fisches umschreiben. Das funktioniert schon seit jeher und erlebte sicherlich seine Blütezeit gegen Mitte des 19. Jahrhunderts. Man erfindet eine Anschuldigung, je schmutziger, desto besser, dabei muss das keinesfalls in irgendeiner Weise auch nur einem Fünkchen von Wahrheit entsprechen, aber es muss an einer Person haften bleiben.
Da war doch irgendwas!
Je absurder und skurriler die Anschuldigungen, desto stärker oder schlimmer der Geruch. Wenn beispielsweise jemand gegen eine andere Person eine Kampagne starten würde und jemanden als Pädophilen bezeichnet. Das ist vielleicht ganz schnell widerlegt, aber fünf Jahre später geistern immer noch diese Informationen in den Köpfen der Rezipienten und auch in den Medien, hier primär im Internet umher.
Einmal im Internet, bleiben Informationen und werden weitergetragen. Später heißt es dann: „Weißt Du noch bei der Person, da war doch mal irgendwas.“ oder „Wird schon was dran gewesen sein.“ Das passiert häufig mit einem richtig platzierten Artikel an einer richtigen Stelle, der mit Dutzenden von Kommentaren, vielfach auch inszeniert, gespickt wird. Heutzutage verbreitet es sich viral. Das ist der wesentliche Unterschied des Internetzeitalters, was sich in der Reichweite deutlich von Gewesenem unterscheidet.
Heutzutage verbreitet es sich viral. Das ist der wesentliche Unterschied des Internetzeitalters
Es gibt jede Menge Arten der schwarzen PR: professionell, nicht professionell, spontan, absurd, etc. das will ich an der Stelle jedoch nicht vertiefen.
Politik und Wirtschaft, Schauplätze der schwarzen PR
Der Fall Monica Lewinsky
Wir wissen alle was es war – der Clinton Lewinsky Fall. In einem bestimmten Raum, unter einem bestimmten Möbelstück, wurde eine bestimmte Handlung vorgenommen. Das was passiert war, hat der Präsident nach einem Dementi in der Öffentlichkeit, dann doch zugegeben. Ins Rollen hat man das dann mit einem bestimmten Ziel gebracht, man hatte eine bestimmte Person im Visier. Wir können uns alle erinnern, wozu das geführt hat. Die Methoden – eindeutig dem Bereich schwarzer PR zuordenbar.
Zwei Waschmittelhersteller schenken sich nichts
Eines der bekanntesten Beispiele aus der Wirtschaft, das tatsächlich bekannt gemacht wurde, ist der Krieg zwischen Procter & Gamble und Unilever. Unilever hat im Jahre 1994 das neue Persil Power-Pulver auf den Markt gebracht. Das Pulver hat genau den gleichen Preis gehabt wie Ariel von P&G, aber hat seine Aufgabe besser gemacht. P&G-Chef Ed Artz untersuchte Konkurrenzpulver und fand darin einen Mangankatalysator, der das Gewebe angreift.
P & G-Vertreter drohten Unilever mit Konsequenzen, wenn das Pulver nicht aus dem Verkauf genommen wird. Aber die Unilever beschlossen, nicht aufzugeben und drohten ein Gerichtsverfahren wegen Verleumdung an. Dann stellte P & G eine PR-Firma ein, die öffentliche Organisationen ansprach: Verbraucherrechtler, Waschmaschinenhersteller und andere. Unilever erhielt einen massiven Angriff aus verschiedenen Ecken und entfernte das Pulver aufgrund langjähriger Kämpfe aus dem Handel.
Schwarze PR im Internet. Google, Soziale Netzwerke
Viel schneller ist eine sogenannte virale Verbreitung heutzutage im Internet möglich. Zwei große Medien: Suchmaschine Google und Soziale Netzwerke – Facebook und in erster Linie Twitter sind für negative Bewertungen und Falschmeldungen sehr gut geeignet.
- Bei Google sind es die Suchergebnisse und Unternehmensprofile bei Google MyBusiness, die sich sehr gut manipulieren lassen
- Bei Twitter posten mehrere Konten Falschcontent und gefakte Meldungen gleichzeitig, mit dem Ziel bestimmte Meldungen in Top-Hashtags zu bringen und Reichweite zu gewinnen
Fridays for Future – Fridays for Hubraum
Fridays for Future ist in aller Munde und hat sich zu einer weltweiten Protestbewegung ausgeweitet.
Quasi über Nacht hat sich in Deutschland eine Gegenbewegung gebildet, die sich Fridays for Hubraum nennen. Eine Gruppe von Autotunern, die eher spaßig an die Sache herangegangen waren und vom Erfolg sprichwörtlich überrannt wurde.
Ich bin als Autoliebhaber der Gruppe einfach spontan beigetreten, auch aus beruflichem Interesse heraus, um zu sehen, wie die Wirkweisen und Verbreitungswege in sozialen Netzwerken bei dieser Gruppe zu bewerten sind. Heute hat man rund 600.000 Follower bei Fridays for Hubraum – bei Fridays for Future geht man von weltweit weniger als 200.000 Followern aus.
Chris Grau ist der Mann, der das Ganze ins Leben gerufen hat. Das ist kein Politiker, er ist ein Autotuner mit Benzin im Blut. Die haben eine Kfz-Werkstatt, wo sie PS-starke Autos tunen, die als „Beast Factory“ firmiert. So schnell, wie die Spaßgruppe entstanden ist, so überraschend waren auch die Mitgliederzahlen, die von Tag zu Tag um mehrere Zehntausend angewachsen sind.
Warum ich das alles erzähle: wie das bei Google funktioniert sieht man sehr gut an diesem Beispiel.
Da kommt also eine Gruppe daher, die im Namen Anleihen bei den Klimaschützern genommen hat und gleich so viele Mitglieder hinter sich vereinigt. Das kann bei Fridays for Future nicht ungehört geblieben sein.
Man geht davon aus, dass es innerhalb der Fridays for Future Bewegungen einen Aufruf dazu gegeben haben soll, beim dem man die Firmenwebsite mit negativen Rezensionen massenhaft überziehen sollte. Belegen kann man das nicht, aber was passiert ist, lässt abschließend keine andere Annahme so plausibel erscheinen. Das wollten sie hier machen.
Das ist ein Screenshot von Google My Business:
Bei Google orientiert man sich doch sehr stark an den Bewertungen. Sucht man ein italienisches Restaurant, schaut man auf die Sterne von eins bis fünf.
Bei der Best Factory hatte man gerade 16 Rezensionen, daraus sind dann circa 4.000 geworden. Das hat also in diesem Fall nicht funktioniert, man wusste sich aus den eigenen Reihen zu organisieren und zu Bewertungen aufrufen. Aber auf so eine Macht der Crowd können halt auch nicht viele zugreifen.
Wie kann man schwarzer PR begegnen?
Rechtlich
- Es gibt also jede Menge Möglichkeiten und Hebel um etwas zu bewirken. Das funktioniert in Deutschland so, kann aber so in Russland nicht funktionieren, wg. u.A. fehlender Impressumspflicht
- Das Recht auf Vergessenwerden (auch als digitaler Radiergummi bekannt) soll sicherstellen, dass digitale Informationen mit einem Personenbezug nicht dauerhaft zur Verfügung stehen
Mehr dazu unter: https://www.design4u.org/online-reputation-management/online-identitat-online-reputation-management-weitere-masnahmen-foren-threads/
Es sein lassen
Man kann beispielsweise sehr gut damit leben. Frei nach dem Motto: „Schlechte Presse ist besser als keine Presse“, scheint es der Mixed Martial Arts Kämpfer Conor McGregor zu nehmen.
Dieser Bad Guy hatte diesen und jenen Skandal, der auch immer gut durch die Presse gegangen ist. Wie auch immer das ist, es schafft einfach Medienpräsenz und Bekanntheit – immer vorausgesetzt, das es nicht zu negativ ist, dann kann das System auch mal schneller kippen, als das einem lieb sein kann.
„Schlechte Presse ist besser als keine Presse!“
Er ist ein Meister der Provokation, bekannt für Massenschlägereien, Attacken, Gewalt gegen Frauen, Pöbeleien und vielen Dingen mehr. Mit dem Resultat, das dieser Typ die höchsten Gagen in dieser Sportart für seine Kämpfe erhält. Das sind bis zu 15 Millionen US-Dollar pro Kampf.
Bei einem besonderen Kampf nach Boxregeln gegen Boxlegende Floyd Mayweather waren es sogar 100 Millionen US-Dollar. Er lebt alleine von schwarzer PR, alleine dadurch ist er so bekannt. Ein Gegenbeispiel dazu ist der ebenso erfolgreiche MMA-Kämpfer…
Stipe Miocic. Ein US-Amerikaner. Ein Schwergewichtler, was ohnehin schon die bessere Voraussetzung für mehr Bekanntheit in der Königsgewichtsklasse wäre. Familienvater, skandalfrei, Feuerwehrmann – verdient weniger als 1 Millionen US-Dollar pro Kampf. Eine ziemlich eindeutige Sache, die sich nahezu durch alle Bereiche von Personen zu ziehen scheint, die in irgendeiner Weise prominent sind.
Man kann also auch mit schwarzer PR spielen und sie auch für sich nutzbar machen. Beispielsweise platziert man Enthüllungen, auf die man dann reagiert. Das führt dazu, dass die Bekanntheit einer bestimmten Person steigt. Das funktioniert besonders gut bei Youtube, so werden viele Views generiert, die verdienen Geld damit.
YouTube
Views, Steigerung des Bekanntheitsgrades, YouTube-Trends und Empfehlungen wg. vieler Kommentare – ein anschauliches Beispiel für „schlechte Presse ist besser als gar keine Presse“ im Internet. Funktioniert besonders gut unter russischen Influencern. YouTube Channels spezialisieren sich häufig darauf und machen Enthüllungen und Gegenenthüllungen.
Man kann also sehr wohl auch mit schwarzer PR leben, wenn man sie für sich zu nutzen weiß. Das geht zugegebenermaßen natürlich nicht in jeder Branche.
Das Busenblitzer-Phänomen
Mittlerweile sollte man eigentlich denken, dass man mit einem Stückchen nackter Haut keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervorlocken sollte, aber scheinbar scheint dieses vermeintlich kleine Ding, gar nicht so peinlich zu sein und in den meisten Fällen wohl gezielt herbeigeführt und gekonnt in Szene gesetzt zu werden.
Führend auf diesem Gebiet sind in Deutschland Heidi Klum und Lena Meyer-Landrut. Die geben an sich von Fans haben fotografieren zu lassen und präsentieren sich nach und nach.
Das ist beispielsweise der Screenshot, wenn man nach Lena Meyer-Landrut sucht:
Es kommen die Meldungen, wie man sie angeblich nackt oder halbnackt fotografiert hat. Man kann sagen, die leben davon. Die polarisieren, die provozieren und sorgen dafür, dass sie wieder zum Tagesgespräch werden.
In den vereinigten Staaten waren das in Vergangenheit Angelina Jolie oder Naomi Campbell, die das gemacht haben, heute sind die prominentesten Vertreterinnen sicherlich die Kardashians.
Wie man sehen kann, lebt eine ganz Branche von der Publizität und schnellen Verbreitung von Informationen über das Internet – und sie verdienen extrem gut damit. Zu dem reinen Platzieren den Nachrichten kommt noch der virale Effekt, der sich wie ein Schneeballeffekt einstellen kann. Jeder kopiert von jedem, alle leiten Informationen weiter. Man kann also sagen, dass man zum einem mit schwarzer PR gut leben kann und auch von ihr.
Agenturen setzen für Prominente immer wieder Kampagnen im Bereich der schwarzen PR durch. Selbst eingeleitete schwarze PR ist extrem wirkungsvoll, weil die entstehenden Effekte, ähnlich eines Drehbuches oder einer Choreografie, kontrollierter ablaufen.
Lesen Sie auch: Was benötigt ein Kunde während seiner Customer Journey?
Wie funktioniert selbst eingeleitete schwarze PR?
Die offizielle Definition von „selbst eingeleiteter schwarzer PR“ existiert nicht. Betrachten Sie dies als unseren neu erfundenen Begriff. Aber Technologie tritt hier und da in regelmäßigen Abständen auf.
Selbst eingeleitete schwarze PR besteht aus folgenden Schritten
- Schritt 1. Das Unternehmen startet in den sozialen Medien eine Ente über seinen angeblichen Fehler und zieht Schmutz auf sich. Hierbei ist es wichtig, dass der Fehler geringfügig war oder dass die kompromittierenden Beweise absichtlich falsch waren.
- Schritt 2. Nachdem die Aufmerksamkeit auf die Situation gelenkt wurde und sie sich auf dem Höhepunkt der Diskussion befindet, gibt das Unternehmen eine offizielle Antwort: Widerlegung mit Beweisen. Oder es gibt eine Widerlegung durch „unabhängige“ Experten.
- Schritt 3. Das Unternehmen fördert das Interesse zur Situation so lange wie möglich, indem es anonym neue Threads in den Foren startet und bestehende weiterhin überwacht und pflegt. Das gehört zu der „traditionellen schwarzen PR“.
Welche Vorteile entstehen dabei?
Schlechte Presse ist besser als gar keine Presse“. Dieses Sprichwort enthält den ganzen Sinn dieser Methode. Als Ergebnis einer gut geplanten Selbstverleumdungskampagne erhält man:
- Markenbekanntheit
- Erhöhung der Loyalität der Zielgruppe (wird später erklärt, warum)
- Rückkehr und Aktivierung von „schlafenden“ Kunden
- Umsatzsteigerung
„Komm, Freund, nimm das nicht zu persönlich, kann jedem einmal passieren.“
Warum funktioniert das?
Erstens, schwarze PR zieht wirklich Aufmerksamkeit auf sich. Wir Menschen sind also eher bereit, an negativen Informationen festzuhalten, schneller darauf zu reagieren und bereitwilliger daran zu glauben. Wenn ein Unternehmen hundert wahre Fakten darüber ins Netz stellt, wie schön es ist, merkt es keiner.
Wenn jedoch mindestens ein negativer Beitrag über das vermasselte Unternehmen erscheint und diskutiert wird, zieht es Aufmerksamkeit. Je pikanter desto besser.
In Bezug auf Russland kann man sagen, dass man dort ein gesteigertes Gefühl der Gerechtigkeit hat. Nun, man schützt mit Schaum vor dem Mund die zu Unrecht Beleidigten.
Zweitens, wenn die selbst entwickelten „kompromittierenden Beweise“ bestätigt widerlegt werden, wird der gerechte Zorn auf diejenigen übergehen, die das Opfer verleumdet haben. Klingt ziemlich simpel, kann aber, wenn es in den Bereich der Politik geht, sehr viel Schaden anrichten.
Das Opfer wird zum Gegenstand der Volksliebe. Ist doch bei Deutschen auch so, oder?
Drittens sind wir alle Menschen – wir irren uns alle. Wenn ein Unternehmen einen Fehler (aber keinen schlimmen Fehler) macht, wird es näher, menschlicher, oder so ähnlich.
Wenn man sich gleichzeitig aufrichtig entschuldigt und auf die Stirn schlagt, halten das alle für menschlich und dieser Fehler wird nachsichtiger behandelt. Alle umarmen sich alle verbrüdern sich, klatschen sich gegenseitig auf die Schulter mit den Worten „Komm, Freund, nimm das nicht zu persönlich, kann jedem einmal passieren.“ Ein Happy End also.
Dem Gegner den Wind aus den Segeln nehmen – wie man der schwarzen PR begegnen kann
Wie eine PR-Kampagne am besten kontern? Meiner Meinung nach liegt die beste Möglichkeit darin, dass man vorbeugt. Das bedeutet, dass man sein Image vorher schon aufbaut, um möglich nachfolgender schwarzer PR in gewisser Weise den Wind aus den Segeln zu nehmen – noch bevor es zu spät dazu wird.
Umgang mit schwarzer PR
Schwarze PR der Konkurrenz kann man positiv für sich umkehren. Unter Anderem durch gezielte Eigen-PR, Pressemitteilungen, Führungen, Contentaufbau.
- Verwenden Sie ehrliches Marketing. Erzählen Sie ausführlich über Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung, interagieren Sie mit Kunden und Partnern, seien Sie transparent. Belegen Sie die Vorteile des Produkts anhand von Fakten: Machen Sie ein Produktionsvideo, lassen Sie Artikel über das Unternehmen schreiben zeigen Sie Qualitätszertifikate.
- Stellen Sie ein Marketing-Team zusammen. Sie wird das Markenimage nachverfolgen und proaktiv sein, negative Kommentare finden und erwidern, einen Werbeplan aufstellen.
- Schaffen Sie ein positives Image für Suchmaschinen. Machen Sie von SEO und SMM Gebrauch.
- Erzählen Sie uns von Ihrem Produkt, zeigen Sie es „in Aktion“, laden Sie ein zu einer Produktionstour in Ihrem Unternehmen. Durch ehrliches Auftreten wird das Vertrauen der Kunden in das Unternehmen und das Produkt wieder hergestellt.
- Content Marketing. Überdecken Sie die Nachteile mit den Vorteilen. Es ist erforderlich, dass sich im Internet mehr positive als negative Informationen zu einem Unternehmen oder Produkt befinden.
- Seien Sie proaktiv. Es ist notwendig, die Veröffentlichungen, in denen die Marke oder das Produkt erwähnt werden, regelmäßig zu überwachen, um schnell reagieren zu können.
Vorbeugen. Gelungene russische PR-Kampagnen, die Image aufbauen
An dieser Stelle möchte ich ein paar gelungene Beispiele aus Russland zeigen, die provokative Dinge einsetzen, die nur so im russischsprachigen Raum verstanden werden und hier so gar nicht funktionieren würden oder zu einem Fall für den Werberat werden würden – so viel ist sicher.
Burger King
Beispielsweise die Kampagne der Fastfood Kette Burger King, die mit Fastfood ohnehin in der bösen Ecke steht und schwarze PR für sich zu nutzen weiß.
Es ist alles grenzwertig. Man weiß, dass in Russland der Sinn für Humor merklich anders ist, Sarkasmus, Zweideutigkeiten, Witze unter der Gürtellinie, Wortspiele und politische Unkorrektheit, das sind die Zutaten und gewissermaßen das Salz in der Suppe einer Werbekampagne, was auch bei den multinationalen Konzernen nicht unbeachtet bleiben kann. Burger King ist ein Beispiel von vielen. Bei Burger King ist das so, dass sie mit der schwarzen PR leben müssen, denn Fastfood ist ungesund.
Burger King’s PR- und Marketing Abteilung in Russland schlägt für europäische Verhältnisse sehr häufig über die Stränge. Sie sind in Russland für ein sehr cooles, virales Marketing an der Foul-Grenze bekannt.
Bei dieser Kampagne ist es ein Wortspiel: „schärfer machen – „in die Hose machen“. Das machen sie nur in Russland, in Europa wäre das eindeutig zu explizit. Bei dieser Kampagne ist es das Wortspiel: „satt werden“ – „betrogen werden“. Hier erklärt man McDonalds durch den Mittelfinger den Krieg. Darauf zu lesen: „Wir haben Sie wieder fertig gemacht. Grüße an alle die teurer sind.“Die Hausmütterchen-Kampagne eines Textilherstellers
Links ist das Kleid von „Anarchie“ von „Vetements“. Rechts – «Хозяюшка» („Hausmütterchen“, altmodisch), von „Ивановский текстиль“ („Ivanovo Textilien“). 82.000 vs. 550 Rubel.Kringel-Bäckerei seit 1958
Jetzt kommen wir zu einer sehr exponierten Kampagne, die sich rasend schnell viral im Internet verbreitet hat. Es geht um eine seit 1958 in Sankt-Petersburg ansässige Bäckerei, die nur Kringel verkauft.
Da laufen tatsächlich diese Frauen in Kittelschürzen rum und man ist zufrieden, wenn man etwas bekommt. Steht man Stunden in der Schlange und die Auslage ist leer, geht man wieder nach Hause und versucht sein Glück am nächsten Tag wieder. Nein, so ist das nicht, aber gefüllt schon.
Der Laden ist alt, das Personal genauso, wie man es aus Sowjetzeiten her kennt. Kein Dienstleistungsgedanke, null trendy. Es sollte mit diesem Relikt aus Sowjetzeiten aber alles anders kommen.
Setters, eine PR-Agentur aus Russland hat sich also diese Kringel-Bäckerei vorgenommen und man hat gewissermaßen mit dieser „Bad-Taste“-Attitüde und dem profanen Backwerk eines Kringels in einer Werbekampagne gespielt. Bis dato war ein Kringel nur ein Kringel.
Alles wurde mit Sex, Drugs und Rock´n Roll kombiniert – Sex sells. Die Kampagne ist durch die gesamte russische Presselandschaft gegangen und die Backerei hatte damit wirklich nichts zu tun und verstand die Welt nicht mehr, als es fortwährend vor der Bäckerei immer hipper wurde.
Wem nützt das Ganze? Die Werbeagentur ist damit natürlich sehr bekannt geworden. Das sind ein paar Bilder der Kampagne – man spielt hier eindeutig mit den Gegensätzen und stellt Dinge gegenüber, die als eigentlich unvereinbar gelten und einfach nicht passen.
Alle Bilder enstammen dem „inoffiziellen Instagram-Account pyshechnaya1958
Content- und Social Media Marketing in einer „langweiligen“ Branche
Nicht jedes Unternehmen heißt RedBull oder Burger King. Ein sehr gutes Beispiel für Content Marketing und Social Media Marketing in einer „langweiligen“ Branche stellt „Kubanzheldormasch“ („Кубань.жел.дор.маш“) – ein 1933 gegründetes Maschinenbauunternehmen aus Armavir, Russland dar.
In diesem Beispiel geht es um die um einen Stahlbetrieb, der sowjetischer nicht sein könnte. Wirklich rein gar nichts, was hier auf glänzen würde. Das ist ein 1933 gegründetes Unternehmen und die sind da auch anscheinend so ein wenig stehengeblieben. Die Facebook-Seite ist bei den Nutzern sehr beliebt und das kommt daher, dass sie eine leicht entspannte und aufgeregte Art haben mit den Neuerungen der Zeit umzugehen.
Wir schreiben einfach nur so, wie wir können.
Wie man dabei auf Kommentare oder Anfragen reagiert ist dabei schon legendär und verbreiten sich dementsprechend viral. Auf der Facebookseite beklagt sich beispielsweise jemand über einen Mitarbeiter, indem man sagt, dass sich die Marketing-Abteilung so viel Aufträge geschnappt habe, wie Hund Flöhe.
Beim Kauf von neuen Maschinen spricht man von Wucherei, aber auch davon, dass man mit Gottes Hilfe die Produktionslinie doch wohl einrichten wird. Kann sich das einer bei einem deutschen Unternehmen dieser Größenordnung vorstellen? Bei VW wird man so etwas sicherlich nicht hören.
Seinen Standpunkt macht man seither immer auch sehr deutlich: Wenn es einem nicht gefällt, was wir schreiben oder zu direkt ist, der kann sich gerne in einer Bibliothek Dostojewski oder Tschechow lesen.
Fazit
Wenn man von einer Kampagne betroffen ist, kann man durch Inhalte vorbeugen, gezielt im Internet verbreiten. Man kann versuchen schlecht Inhalte mit guten Inhalten zu überlagern und man sollte offen kommunizieren, sachlich bleiben. Man kann schwarze PR durchaus für sich nutzen. Wenn beispielsweise jemand behauptet, dass in einem Betrieb die Hygiene nicht stimmt, ein Tour durch den Betrieb moderieren und öffentlich machen. Dadurch bekommt man Aufmerksamkeit und erreicht quasi genau das Gegenteil.
Wie Sie sehen, kann schwarzer PR auch als sinnvolles Instrument in der Vermarktung gesehen werden.
Hinterlasse als Erster einen Kommentar